Experiment: Schrift!
Das Medium Schrift
Typografie ist ein zentraler Bereich in der Designlehre, da sie crossmedial unverzichtbar ist. Obwohl wissenschaftliche Studien zeigen, dass jüngere Generationen weniger lesen und dies in Zukunft vermutlich weiter abnehmen wird, bleibt das Medium Schrift unersetzlich.
Schrift zählt zu den größten kulturellen Leistungen der Menschheit und ist wahrscheinlich die bedeutendste Erfindung der Geschichte. Sie ermöglicht nicht nur direkte Kommunikation, sondern hilft auch, die Umwelt zu strukturieren, Wissen zu verbreiten und zu archivieren. Typografie wurde stets von technischen Entwicklungen geprägt, und aktuell beeinflussen neue Dateiformate, prozedurale-generative Schriften, Screen-Auflösungen, sowie KI- und VR-/AR-Anwendungen das Feld.

Regelmäßige Workschops in der Satz- und Druckwerkstatt des Technoseum in Mannheim

Buchstaben erkennen und gestalten
Typografie: Aus Text wird Bild
Im Grafikdesign sind Schrift und Bild die zentralen Komponenten der Gestaltung. Durch gut gestaltete Typografie wird jede Textfläche zu einem visuellen Wirkelement. Auch in meiner beruflichen Laufbahn ist Typografie stets ein äußerst wichtiger Gestaltungsfaktor geblieben.
Neue Schriften und Buchstaben zu entwerfen und sich dabei von verschiedenen Quellen inspirieren zu lassen, ist eine Aufgabe, die mir besonders viel Freude bereitet – insbesondere im Hinblick auf neue Technologien und Medien.
Mit Schrift experimentieren
In meinen Typedesign-Kursen verfolge ich einen experimentellen Ansatz, der durch vielfältige Inspirationsquellen und Methoden die Kreativität anregt und die Teilnehmenden dazu motiviert, aktiv zu werden.
Dabei lernen die Studierenden den iterativen Designprozess nach der Design Thinking Methode kennen und anwenden. Dies dient als Grundlage und Fahrplan für eine eigenständige konzeptionelle Reife und Expertise. Wichtig dabei ist, das konsequente Dokumentieren des eigenen Handlungsablaufs einzuüben und die Fähigkeit fachgerecht zu präsentieren.

Botschaften ausdrücken
Ausgewählte praktische Übungen aus der Lehre
Die folgenden Beispiele verdeutlichen meinen didaktisches Ansatz in der Designlehre. Alle Übungen wurden eigenständig konzipiert, ausgearbeitet und erprobt.
Generisches Alphabet aus drei Formen
Bei der Aufgabe sollen aus drei Grundformen ein Alphabet entstehen. Dabei werden die Formen zunächst spontan entwickelt. Dabei dürfen keine Kreise, Quadrate und Dreiecke mit einem rechten Winkel zum Einsatz kommen. Bei der Zusammensetzung der Buchstaben dürfen die Formen gespiegelt, gedreht und mehrfach verwendet werden. Wie sich die Flächen berühren oder überlagern bestimmt den Duktus der Schrift.
Ziel ist es, die gefundenen Gestaltungsprinzipien innerhalb des Alphabets konsistent einzuhalten. Am Ende entsteht ein Font, den man als Specimen in Form eines Plakats darstellt.
Aus alt wird modern: Typorecycling
Von historischen Vorlagen (Plakate, Emailleschilder, Verpackungen, etc.) werden Schriftzüge und Buchstaben untersucht. Durch das Nachvektorisieren und Bearbeiten der Buchstaben, entsteht ein vollständiges Alphabet, das nun für neue Zwecke verwendet werden kann. (Beispiel: Kleine Dada Soiree, 1922)
Ziel ist es, sich bei der Gestaltung mit historischen Schriftstilen auseinanderzusetzen und somit die geschichtlichen Hintergründe zu verstehen und nachzuvollziehen.
Monospaced Font: Eine Grundform als Basis
Diese Experimentierübung zielt darauf ab, ein Alphabet basierend auf einer Grundform zu entwickeln. Entsprechend der Grundform haben alle Buchstaben die gleiche Zeichenbreite. Die Glyphen entstehen durch das „Punchen“ einfacher geometrischen Binnenformen, wie Kreis, Halbkreis, Punkt, Linie, o. ä..
Ziel ist es, sich während der Schriftentwicklung besonders auf die Binnenformen (Punzen), die Negativformen der Buchstaben, zu fokussieren. Die Besonderheit der neu entwickelten Schrift wird in einem Plakat dargestellt.
Lingua ignota
Im Typo-Workshop wird die Frage diskutiert, was passiert wäre, wenn die „Lingua ignota“, das rätselhafte Alphabet der Hildegard von Bingen aus dem 12. Jhd., sich als Sprache und Schrift durchgesetzt hätte. Wie würden ihre Zeichen in verschiedenen klassischen Typografien aussehen? Zum Beispiel als Bodoni, Futura oder Cooper Black?
Zu Beginn nähert man sich den Zeichen und versucht diese kalligraphisch zu erfassen. Anschließend werden klassische Schriftarten analysiert. Durch teilen und kombinieren entstehen neue Schriftzeichen. Am Ende des Workshops gestalten die Teilnehmenden Informationsplakate, die die Zeichen und Vokabeln der neuen Hildegard-Schrift vorstellen.
Object Based Font
Object-Based Font ist ein Experiment, bei dem eine eigene Schriftart basierend auf einem bestimmten Gegenstand entwickelt wird. Dieses Objekt dient als Inspirationsquelle und beeinflusst die Form, Farbe und Eigenschaften der einzelnen Schriftmodule. Mithilfe eines Rasters werden die Module zu Buchstaben zusammengefügt. Am Ende der Aufgabe soll die Schrift bestimmte Attribute des Objekts tragen, wie Material, Oberfläche, Bewegung o.ä..
Ziel ist es, mit Hilfe eines Objektes (Gegenstandes) eine eigene Formensprache zu kultivieren und die entwickelte Schrift anhand eines Plakats darzustellen.
Random Font
Den Zufall wertschätzen – Die Abgabe der Kontrolle führt häufig zu innovativen Ansätzen und mehr Individualität in der Schriftgestaltung. Verlässt man den „normalen“ Pfad, stößt man auf unerwartete Schätze. Jedoch ist es dabei wichtige,diese auch als solche zu erkennen und wertzuschätzen.
Durch Werfen von Gegenständen, Schütten und Gießen von Flüssigkeiten, oder sich im Arbeitsprozess bewusst die Kontrolle zu nehmen (z. B. blind schreiben oder mit dem Fuß), entstehen ungeahnte neue Formen und Buchstaben für das Type-Design.
Sound-Typografie
Bei dieser Aufgabe werden mit dem Smartphone in der Umgebung und im Haushalt mehrere unterschiedliche Geräusche aufgezeichnet. Diese werden in Adobe Audition mit dem Rauschfilter bearbeitet. Danach werden zwei Buchstaben aus einem Alphabet ausgewählt, die man dann in Adobe AfterEffects durch eine einfache Keyframe-Animation mit Vektorpfaden bewegt und vertont. Um den Vorgang zu strukturieren, werden zuvor Animationsskizzen und ein Storyboard angelegt.
Ziel ist es, mit Sounds und Bewegtbild eine Einheit zu bilden. Passt das, was man hört zu dem, was man sieht? Oder ist die Verwirrung gerade das Interessante?